Der heute für alle Kinder selbstverständliche Schulbesuch war in früheren Jahrhunderten durchaus nicht so verbreitet. Für das Kirchspiel Wardenburg lässt sich die erste Schule, gehalten vom damaligen Küster im Ort Wardenburg, ab 1579 nachweisen. Wohl kaum ein Kind aus dem entfernten kleinen Ort Westerholt mit nicht einmal 50 Einwohnern wird den beschwerlichen Weg Richtung Wardenburg für einen täglichen Schulbesuch auf sich genommen haben. Für den Alltagsgebrauch reichte es aus, unter Vereinbarungen „sein Zeichen“ wie zum Beispiel sein Hauszeichen, zu machen. Wenn wichtige Dinge niedergeschrieben werden mussten, ging man zum schreibkundigen Küster oder Pastor.
Die Texte der wichtigsten Kirchenlieder wurden auswendig gelernt, lesen konnte wohl kaum jemand. Dies änderte sich erst, als um 1700 auch in Oberlethe eine eigene Schule geschaffen wurde. Die Westerholter Kinder besuchten diese, wenn die Arbeit auf dem elterlichen Hof es zuließ und man sich den Schulbesuch leisten konnte, denn es musste Schulgeld gezahlt werden. Das Schulgeld war ein wesentlicher Bestandteil des Einkommens der Lehrer. Daneben war der Lehrer immer auch Landwirt. Er bewirtschaftete zur Sicherung seines Lebensunterhaltes das zugehörige Schulland. Jungen besuchten damals deutlich häufiger als Mädchen die Schule. Es wurden Lesen, Schreiben, Rechnen und insbesondere Religion und Gesang unterrichtet. Der Schwerpunkt in diesem Bereich ergab sich durch die enge Bindung an die Kirche, unter deren Aufsicht das Schulwesen bis kurz vor dem Ersten Weltkrieg stand. Noch 1824 erklärte zum Beispiel Catharine Margarethe Speckmann, geborene Otten, als sie einen Schuldschein unterschreiben sollte, „ dass sie des Schreibens unkundig sei“ und machte stattdessen ein eigenhändiges Kreuz als Zeichen.
Die Wegeverhältnisse ließen im Herbst und Winter auf vollkommen unbefestigten Wegen den immer zu Fuß zurückzulegenden Schulweg oft beschwerlich werden. Als Westerholt dann zu Anfang des 19. Jahrhunderts durch zahlreiche neue Brinksitzerstellen deutlich an Bevölkerung zunahm und man ab 1817 auch noch den Bereich „hinter dem großen Meer“ (heute Achternmeer) besiedelte, wurde der Wunsch nach einer eigenen Schule im Dorf immer größer. Im Zuge der Aufteilung der alten Forstflächen des abgeholzten Harberwaldes wurde dieses Anliegen der Westerholter berücksichtigt und eine Parzelle für eine eigene Schule eingeplant. Sie sollte an der heutigen Ammerländer Straße 52 ca. 50 Meter vor dem heutigen Haus von Willi Wellmann entstehen. Ein Grundriss war schnell gezeichnet, aber die Kosten für den Bau konnte das arme Dorf nicht aufbringen. Hinzu kam, dass der Oberlether Schulmeister durch eine eigene Westerholter Schule weniger Schulgeld erwartete und um sein Auskommen fürchtete. Hier musste zunächst eine Art Ausgleichszahlung für die Schule in Oberlethe geleistet werden. So konnte am 11. Oktober 1821 der Unterricht starten. Da ein Schulhaus nicht vorhanden war, wurde die Diele des ersten Schuljuraten Carstens (heute Haus von Jürgen Dirks an der Glumstraße 80) kurzerhand zum Klassenzimmer umfunktioniert. Für das Winterhalbjahr 1821/22 wird dabei die Zahl von 45 Schülerinnen und Schülern vermeldet. Als ersten Lehrer konnte man Johann Heinrich Bruns gewinnen, der als „Seminarist“ mit der eigenen Ausbildung noch nicht fertig und damit günstiger zu haben war.
Weitere Verzögerungen beim Schulbau ergaben sich, weil einer der größten Bauernhöfe im Dorf von einem auswärtigen Besitzer bewirtschaftet wurde, der meinte, nicht zu den Kosten des Schulbaus mit herangezogen werden zu können, da seine Kinder hier nicht zur Schule gehen sollten. Nach langen Auseinandersetzungen fand man letztlich einen Kompromiss. Eine Spende des Großherzogs Peter Friedrich Ludwig von 200 Reichstalern brachte dann endlich die noch fehlende Restsumme, so dass im Juni 1823 mit dem Bau begonnen werden konnte. Im November 1823 war der Bau fertig und die Schüler konnten das neue Gebäude beziehen. Dabei macht der überlieferte Grundriss deutlich, dass der eigentliche Klassenraum den geringsten Teil des Gebäudes einnahm. Die Wohnung und der Stall für das Vieh des Lehrers belegen den größten Teil der Fläche.
Mit der wachsenden Einwohnerzahl Westerholts und der weiteren Besiedlung im Bereich Achternmeer wurde die Schule schnell zu klein. Bereits 1835 erfolgte, wie eine überlieferte Zeichnung belegt, die erste Verlängerung des Gebäudes, um mehr Platz für die wachsende Schülerzahl zu schaffen. 1851 wurde das Gebäude erneut verändert, aber schon 1870 reichte der vorhandene Platz nicht mehr aus. Man dachte über einen erneuten Anbau nach und fertigte erste Entwürfe. Nach eingehender Begutachtung der vorhandenen Substanz kam man allerdings zu dem Ergebnis, dass ein Neubau, ca. 50 Meter weiter Richtung Westen an der Ammerländer Straße, doch günstiger sei. So entstand 1870/71 ein vollkommen neues Gebäude, die alte Schule wurde 1871/1872 abgebrochen. Noch immer aber wuchs durch stetig steigende Einwohnerzahlen auch die Zahl der Schüler. So waren im Sommerhalbjahr 1900 insgesamt 90 Schüler zu unterrichten. Eine gewisse Entlastung brachte 1903 der Bau einer eigenen Schule in Achternmeer. In den Jahren 1909 bis 1911 wurde dann das alte Schulgebäude an die Familie Ripken verkauft und das letzte Westerholter Schulgebäude neu erbaut und im November 1911 eingeweiht. Diesmal hatte man sich allerdings für einen neuen Standort an der Südseite der Ammerländer Straße, heute mit der Hausnummer 67, gleich neben der Gastwirtschaft Willers, entschieden. Heinrich Willers verkaufte hier einen Teil seiner Ländereien für den Neubau an die Gemeinde Wardenburg. Die jetzt zweiklassige Schule erforderte dann auch einen zweiten Lehrer. Hier fand sich mit Frieda Zimmermann die erste Frau, die dauerhaft in der Gemeinde als Lehrerin unterrichtete. Endgültig eingestellt wurde der Schulbetrieb mit eigenem Schulgebäude in Westerholt nach 143 Jahren im Sommer 1966. Seitdem besuchen die Westerholter Kinder die heutige Grundschule in Achternmeer. Ein paar Jahre wurde das Gebäude als Außenstelle der Achternmeerer Schule genutzt, bis 1968 Herr Ehlers die letzten Worte an die Tafel schrieb. Das alte Schulgebäude wurde von der Gemeinde Wardenburg Anfang der 1970er-Jahre verkauft.
Die zweizügige Schule in Westerholt, Ammerländer Straße 67, 1911 – 1966.
Schulhof der Volksschule, Ammerländer Straße 67, 1911 – 1966.